Mal wieder ein verkaufsoffener Sonntag – das wär’s!

14März
2023

Der Handel hat Probleme: Viele Menschen haben sich das Shoppen abgewöhnt. Anreize wie verkaufsoffene Sonntage können das Problem nicht lösen, aber dem Baden-Badener Handel Auftrieb geben. Und des Einkaufens müde Menschen wieder in die Innenstadt locken. Ein Kommentar von Cornelia Mangelsdorf

Vielleicht liegt es am nahenden Frühling, dass ich aktuell mit harter Hand meine Kleiderschrankbestände reduziere, altes Geschirr weggebe und den Keller von überzähligen Dingen befreie. Mir tut es gut, weniger Sachen zu haben. Die Diakonie nimmt meine Gaben immer noch geduldig auf. Fast jeden Mittwoch bin ich eine Zeitlang dorthin gefahren, um tütenweise Jacken, Pullover, Jeans und Blumenvasen abzugeben. Wer braucht schon 20 Blumengefäße?

Weniger Lust aufs Shoppen

Dass die Umsätze im Einzelhandel schwinden – es wundert mich nicht. Ich kaufe weniger, weil unsere Schränke voll sind. Die Zahl meiner Handtaschen und Schuhkartons übersteigt schon jetzt den dafür vorgesehenen Platz in meiner Kleiderkammer. Wohin also mit neuen Sachen? Mir geht es so wie vielen anderen: Ich kaufe weniger. Durch das tageweise Arbeiten im Homeoffice brauche ich auch weniger neue Kleidung zum „Vorzeigen“.

Heftige Umsatzeinbußen

Der Handel bekommt das schmerzlich zu spüren, denn Homeoffice ist im Trend: Die Umsätze im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren sind 2022 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 real um 7,6 Prozent zurückgegangen. Viele Schuh- und Modehändler haben Insolvenz angemeldet: etwa der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof oder die Schuhhändler Salamander und Görtz. Und nun hat es auch Peek & Cloppenburg erwischt. Das ist hart – aber manchmal glaube ich, dass die Zeit der großen Massen an T-Shirts, Hosen Hemden, die verkauft werden können, vorbei ist. Die Generation Z interessiert sich eher am Rande für neue Kleidung. Viele von ihnen wollen lieber die Umwelt schützen. Damit geht ein gewisser Konsumverzicht einher.

Es wird mehr aufs Geld geschaut

Hinzu kommt: Die Verbraucher sind vorsichtiger geworden. Der Grund: Inflation und hohe Energiekosten zwingen viele Menschen, gut zu wirtschaften und sich genau zu überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Die Realeinkommen in Deutschland sind im Sinkflug, der Wohlstand der Deutschen schmilzt in der Mittelklasse wie Schnee in der Aprilsonne. Und das spürt der Einzelhandel.

Auch der Onlinehandel „leidet“

Und, siehe da, auch das Einkaufen im Internet stockt: Der Anteil des Onlinehandels am gesamten Einzelhandel ging 2022 laut faz.net von 14,3 Prozent im Vorjahr auf 11,8 Prozent zurück. Dennoch wird die Verschiebung vom Offline- zum Onlinehandel weitergehen, da sind sich die Experten einig.

Lieber Waldbaden statt Läden abklappern

Seit der Pandemie sind viele Menschen einkaufsmüde geworden. Das Shopping-Gen ist in eine Art Schokstarre gefallen. Viele unserer Freunde jenseits der 40, 50 oder 60 machen es momentan wie wir: lieber Waldspaziergang als Walk durch die Fußgängerzone. Lieber weniger kaufen als zu viel Kram ansammeln. Besser das Geld im Theater oder Festspielhaus ausgeben – oder für Reisen – anstatt den 25. Pullover zu kaufen.

Für Nachwuchs muss geshoppt werden

Anders ist das Einkaufsverhalten freilich bei den Eltern kleiner Kinder: Kaum sind neue Schuhe gekauft, sind die Kleinen schon wieder rausgewachsen. Und, ganz ehrlich, auch ich werde nicht müde, Babystrampler zu kaufen, weil die Kinder unserer Freunde auch uns durch ihren Nachwuchs erfreuen.

Das Konsumbarometer steigt

Eine kleine Hoffnung für den krisengeplagten Handel gibt es: Die Verbraucherstimmung der Deutschen scheint sich aktuell leicht zu bessern. Laut „Handelsblatt“ hat es wieder ein Niveau wie vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs erreicht. Damals sackte das Konsumbarometer des „Handelsblatts“ in den Monaten nach Kriegsbeginn ab und erreichte sein Tief im Oktober 2022. Seit nunmehr vier Monaten klettert dieser Frühindikator wieder nach oben.

Ein verkaufsoffener Sonntag wäre ein Anreiz

Bleibt also zu hoffen, dass der stationäre Handel im nahenden Frühling mit volleren Läden und guten Verkaufszahlen glänzen kann. Ich helfe auch gern ein bisschen mit. Schön wäre es, wenn es wieder einmal einen verkaufsoffenen Sonntag gäbe. Dann würden sicherlich auch mehr Menschen wie ich, die jeden Werktag arbeiten, durch die Geschäfte streifen und sich spontan etwas Schönes kaufen. Und das natürlich vor Ort. Denn wenn Geld ausgeben, dann in Baden-Baden.

Foto: Ben Becher