Gastgeber mit Leib und Seele
05Februar
2021
Nun ist es raus: Die Pächter des beliebten Restaurants „Forellenhof“ gehen im Herbst raus. Grund ist der Ärger mit dem Eigentümer. Der ist weit weg. Viele Baden-Badener sind entsetzt. Auch Cornelia Mangelsdorf. Eine Betrachtung.
Es war ein Sonntag im Herbst: Zwei alte Damen betraten um die Mittagszeit den Forellenhof. Das Lokal war auf den letzten Platz besetzt. Doch Oliver Vetter, charmanter Chef des Hauses, improvisierte: Schnell waren zwei hellblaue Ohrensessel und ein Beistelltisch aus der Bar in den Gastraum geschoben. Er platzierte die beiden Damen, und nach wenigen Minuten standen zwei Gläser Sekt auf dem Tischchen. Die Damen nahmen Platz und fanden nach der angenehmen Wartezeit dann doch noch einen Tisch für ihr Mittagessen. Stehend zu warten, das hätten sie geschafft.
Kein Schickimicki, sondern Gastfreundschaft
Solche Szenen berühren. Sie zeigen, wie respektvoll Gäste behandelt werden können – und sollten. Das haben nicht alle Gastronomen der Kurstadt drauf. Oliver Vetter und seine Frau Madeleine Holl haben jeden Besuch im traditionsreichen Forellenhof zu einem Fest gemacht. Berühmt wurde das Haus 1965 mit der achtteiligen Schwarz-Weiß-Serie „Forellenhof“ des damaligen Südwestfunks. Das Waldhotel mit der Forellenzucht war schon immer ein besonderer Ort, doch vor der Übernahme durch das junge Paar ziemlich herunterkommen. Was sie daraus gemacht haben, konnte sich sehen lassen: kein Schickimicki, sondern Wohlfühl-Atmosphäre mit solider regionaler Küche und viel Know-how. Einmal standen wir abends nach dem Essen mit Freunden an der Bar und sprachen von einer bestimmten Schaumweinmarke, die in Deutschland kaum bekannt ist. Die Dame hinter der Bar hörte mit, griff in den Kühlschrank und stellte uns eben genau jenen edlen Tropfen auf den Tresen. Chapeau!
Ein letzter schöner Sommer
Damit wird es bald vorbei sein. Doch noch ein Sommer bleibt uns: An Ostern soll der Forellenhof, wenn er darf, wieder öffnen – um dann am 24. Oktober erst einmal seine Pforten zu schließen. Dann ist dort Schluss für Oliver Vetter und seine Frau, die sich – zum Glück – bereits nach einem neuen Wirkungskreis umschauen.
Streit ums Geld mit dem Eigentümer
Ärgerlich sind die Hintergründe ihres Ausscheidens: Mit dem Eigentümer aus Aserbaidschan gab es Streit. Er soll von den Pächtern verlangt haben, für notwendige Arbeiten, zum Beispiel in Sachen Brandschutz, aufzukommen. Die Verantwortung für die notwendigen Arbeiten haben die Pächter allerdings beim Eigentümer gesehen. Probleme zu bereinigen, wenn ein Eigentümer nicht vor Ort ist, ist schwierig, denn dann landet alles gleich beim Anwalt. Womöglich hat der Besitzer aus Aserbaidschan nicht einmal einen Bezug zu seiner Immobilie oder der Stadt Baden-Baden. Dieses Phänomen gibt es in der Kurstadt leider zu oft. Dass der Restaurantbetrieb auch nach dem Ausscheiden der jetzigen Pächter weitergehen soll, ist nur ein schwacher Trost. Denn die Herzlichkeit, mit der Oliver Vetter und Madeleine Holl ans Werk gehen, wird schwerlich zu ersetzen sein.
Fotos: Ben Becher