Gaskrise: „Energiesparen ist das Gebot der Stunde“

08Juli
2022

Die Pipeline Nord Stream 1 muss am 11. Juli gewartet werden. Ob danach wieder auf diesem Wege Gas nach Deutschland fließt, ist die große Frage. Die Bundesnetzagentur hält einen Totalausfall für möglich – und ruft zum Energiesparen auf. Denn zurzeit sind unsere Gasspeicher gerade mal zu 63 Prozent gefüllt. Helmut Oehler, Chef der Baden-Badener Stadtwerke, rät im Interview ebenfalls zum Sparkurs.

Herr Oehler, Robert Habeck hat am 23. Juni die Alarmstufe des Gasnotfallplans ausgerufen – das gab es noch nie. Warum war das nötig?

Helmut Oehler: „Die Gasflüsse aus Russland wurden reduziert – diese Tatsache war ein Grund für die Ausrufung der Alarmstufe. In der Alarmstufe können Gaskraftwerke durch Kohlekraftwerke (Reserve-Kraftwerke) ersetzt werden, um das dadurch frei gewordene Gas zur Speicherung für den Winter zu nutzen.“

Was tun Sie aktuell, um Verbraucher wie Großkunden in Ihrem Wirkungskreis zu „beruhigen“?

Helmut Oehler: „Wir sind mit allen Großkunden im ständigen Kontakt und halten sie über alle Vorgänge auf dem Laufenden.“

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, damit wir unabhängiger werden können vom russischen Gas?

Helmut Oehler: „Wir sind kein Importeuer von russischem Gas und auf das Portfolio unserer Vorlieferanten haben wir keinen Einfluss. Somit haben wir als ,kleines Stadtwerk‘ nahezu keine Einflussmöglichkeiten. Für ganz Deutschland kann man jedoch sagen, dass alles dafür getan wird, alternative Gasmengen aus anderen Ländern zu erhalten, etwa aus Katar. Hierzu werden in Deutschland gerade auch LNG-Terminals gebaut.“

Haben Sie eine Theorie, wie es nun in Sachen Energieversorgung weitergeht? Gibt es in all der Misere auch einen Hoffnungsstreif?

Helmut Oehler: „Durch die aktuelle Krise gewinnen Themen wie Energie sparen, Energieeffizienz, die Erzeugung erneuerbarer Energie und Diversifizierung der Bezugsquellen dramatisch an Bedeutung. Auch wenn kurzfristig leider zusätzlich alte Kohlekraftwerke in Betrieb genommen werden müssen, was sich nachteilig auf die CO2-Emissionen auswirkt, werden die erwähnten Themen sicher eine deutliche Beschleunigung erfahren.“

Was kommt jetzt auf die Verbraucher zu?

Helmut Oehler: „In der Alarmstufe sind die Gasflüsse ausreichend, sodass es aktuell für die Verbraucher keine kurzfristigen Auswirkungen hat. Betrachtet man aber die Preissteigerungen am Großhandel, werden sich die künftigen Energiepreise für den Verbraucher leider stark erhöhen.“

Der Gasnotfallplan hat drei Stufen – was sieht Stufe drei vor?

Helmut Oehler: „Die dritte Stufe ist die Notfallstufe. Zu diesem Zeitpunkt wird nicht mehr genug Gas in das deutsche Gasnetz eingespeist, das heißt, es kommt zu Abschaltungen von nicht-geschützten Kunden – viele Industriebetriebe wären dann betroffen. Die privaten Verbraucher gelten als geschützte Kunden.“

Rechnen Sie damit, dass im Winter Stufe drei ausgerufen wird?

Helmut Oehler: „Man kann hier aktuell keine Aussage dazu treffen, dazu ist die Lage zu unvorhersehbar.“

Last but not least: Was raten Sie Verbrauchern?

Helmut Oehler: „Energiesparen ist das Gebot der Stunde. Durch Reduktion der Raumtemperatur um ein Grad Celsius spart man schon bis zu sechs Prozent Energie. Um ein Auskühlen der Wohnung zu verhindern, sollte man immer nur stoßlüften. In Sachen Leuchtmittel sollte man auf LED setzen, um hier nur einige Beispiele zu nennen.“

Foto: Helmut Oehler