„Es geht hier auch um das ,Wie’ im Umgang mit den Bürgern“
29November
2019
Die Pläne der Stadt, das Aumatt-Terrain hauptsächlich als Gewerbegebiet zu nutzen, sind vom Tisch: Der Gemeinderat hat sich am Montagabend mit knapper Mehrheit dagegen entschieden. Interview mit Martin Ernst.
Herr Ernst, wie war die Position der FBB in dieser Sache und wie fühlen Sie sich jetzt?
Martin Ernst: „Sicherlich nicht erleichtert. Die Oosaue wurde von der Stadt seit Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt, das gesamte Viertel braucht dringend eine Fortentwicklung. Dies gilt insbesondere auch für den abfließenden Verkehr aus dem Viertel mit der viel zu kurzen Ampelschaltung. Irgendwie schafft es die Verwaltung nicht, ihre Bürger bei solchen Planungen mitzunehmen. Das finde ich sehr schade und das ist für die Bürger sowie für den Investor gleichermaßen nervenaufreibend und ermüdend.“
Können Sie das vehemente Dafürhalten der Stadt, der CDU und SPD, dort ein Dienstleistungszentrum zu bauen, nachvollziehen?
Martin Ernst: „Natürlich kann ich das, die Stadt lebt ja schließlich von guten Steuerzahlern. Die Idee von Herrn Grenke, Firmenstarter aus dem IT-Bereich anzusiedeln, ist exzellent und wird selbstverständlich auch von der FBB vollumfänglich unterstützt. Nicht nachvollziehen können wir jedoch, dass die Stadt ein reines Gewerbegebiet und kein Mischgebiet planen wollte. Wir können uns dort durchaus Wohnen und Dienstleistung im Verhältnis 50:50 vorstellen.“
Welche Rolle spielt es, dass Bea Böhlen gestern abend bei der Abstimmung mit dabei war? Vor kurzem hatten die Grünen sich ja der Stimme enthalten, nun aber mehrheitlich gegen Gewerbe im Aumattgebiet gestimmt.
Martin Ernst: „Ohne Bea Böhlen und die Grünen hätte die Stadtverwaltung ihr Gewerbegebiet in der Gemeinderatssitzung am Montag durchgedrückt. Es geht hier nicht darum, wer Sieger ist. Momentan gibt es hier nur Verlierer. Bei einem positiven Votum hätte die Stadt eine gewaltige Summe für ein Naherholungsgebiet an der Oosaue und auch in eine wesentlich verbesserte Ein- und Ausfahrt des Viertels investiert. Damit wäre das gesamte Quartier erheblich aufgewertet worden. Das ist jetzt erst einmal verschoben – ich hoffe nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag.“
Welche Hebel wurden seitens der FBB in Bewegung gesetzt, um die Bebauung zu kippen?
Martin Ernst: „Ich möchte nochmals deutlich machen, dass wir nicht gegen eine Bebauung sind, sondern für eine Bebauung. Uns geht es um die Relation zwischen Wohnen und Dienstleistung, dies befürworteten nach unserer Meinung auch die Mitglieder der Bürgerbewegung.“
Bürger-Initiativen werden in Baden-Baden immer wirksamer, das hat man auch am Engagement von Eltern für die Senkung der Kitabeiträge gesehen. Und natürlich jetzt am Mitwirken der Initiative in Oosscheuern, deren Leute sich für ein Mischgebiet und gegen ein Gewerbegebiet aussprachen. Kann man daraus einen Trend ablesen? Lassen sich Bürger weniger gefallen?
Martin Ernst: „Ich fordere seit Jahren, dass die Bürgerinitiativen und Stadtverwaltung aufeinander zugehen. Vielleicht gelingt in dieser Periode diesbezüglich ein Umdenken. Gerade wir Fraktionsmitglieder der FBB können mit der Bürgerinitiative mitfühlen, da wir selbst aus der Protestaktion in der Sache Neues Schloss entstanden sind. Wir haben damals selbst diese unglaubliche Arroganz der Macht erlebt und fühlten uns ohnmächtig, wie jetzt die Bürgerinitiative.“
Herr Ernst, was muss weiter geschehen, dass in Baden-Baden mehr Fläche als Wohnraum genutzt und nicht nur an Gewerbegebiete gedacht wird?
Martin Ernst: „Ein Sprichwort sagt: ,Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.’ Eine Veränderung und eine Fortentwicklung aufzuhalten, wäre sträflicher Leichtsinn. Wir brauchen dringend auch Gewerbegebiete, um unsere Ausgaben in der Zukunft stemmen zu können. Jeder Unternehmer, der hier in Baden-Baden eine Dienstleistungsfirma aufbaut, hat unsere ausdrückliche Unterstützung. Es geht hier allein um eine gesunde Mischung zwischen Wohnen und Gewerbegebiet und um das ,Wie’ im Umgang mit den Bürgern.“
Was ist nun der nächste Schritt in Sachen Aumatt?
Martin Ernst: „Beide Lager müssen jetzt erst einmal tief durchatmen und dann halte ich es für wichtig, dass man miteinander redet und auch zuhört. Unsere Oberbürgermeisterin hat ja absolut recht, wenn sie sagt, dass nicht die gesamte Grünfläche überbaut werden kann. Das ist ja gerade der Charme von Baden-Baden. Deswegen kommen die Gäste, deswegen wollen betuchte Zeitgenossen hier wohnen. Dazu gehört aber auch, dass man die Grünflächen in Baden-Baden möglichst erhält und damit muss man zwangsläufig in die Höhe bauen. Ich hoffe sehr, dass diesbezüglich der zweite Anlauf nach dem Jahreswechsel ein besserer wird und damit wünsche ich allen Parteien ein gutes neues Jahr.“
Foto: Ben Becher