Ein Drittel der Deutschen geht bei ungeplanten Ausgaben in die Knie

01November
2022

Die andauernde Inflation trifft insbesondere niedrigverdienende Haushalte hart. Und von denen gibt es viele in Deutschland. Das Statistische Bundesamt hat hierzu Daten veröffentlicht.

Die Motor-Kontrollleuchte blinkt auf, die Werkstatt verkündet den Kostenvoranschlag für die Reparatur. Der Computer, das Arbeitsgerät, das die Miete bezahlt, verabschiedet sich endgültig – solche Szenarien würden für fast ein Drittel der Deutschen bedrohlich. Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamts hatten im letzten Jahr knapp 32 Prozent der Bevölkerung nicht genug auf der hohen Kante, um eine überraschende Ausgabe von 1.150 Euro zahlen zu können. In Rumänien, Kroatien, Griechenland, Zypern und Lettland liegt diese Quote mit über 40 Prozent noch höher, die Nachbarländer Frankreich (27,6 Prozent) und Niederlande (15,1 Prozent) stehen besser da.

Die soziale Schere öffnet sich weiter

Die Aktienmärkte boomen und die Immobilienpreise steigen. Davon profitieren allerdings nur die Reichen – 100.000 neue Millionäre meldete die Beratungsgesellschaft Capgemini vergangenes Jahr. In unserem Land, das weltweit auf Platz drei der Länder mit den meisten Dollar-Millionären steht, kann sich der Durchschnittsbürger davon jedoch nicht viel kaufen – im Gegenteil. Während die Reichen noch reicher werden, werden die Armen ärmer: „Vor allem Familien mit niedrigen Einkommen müssen aktuell deutlich höhere haushaltsspezifische Inflationsraten tragen als wohlhabende Haushalte“, berichtet Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Für die Mehrheit wird es ungemütlich

Ein Ende des Teuerungstrends ist nicht in Sicht. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München rechnet mit weiteren Preiserhöhungen in so ziemlich allen Bereichen. Der Konjunkturchef des Instituts, Timo Wollmershäuser, rechnet im Energiebereich mit besonders stark steigenden Energiekosten: „Vor allem bei Gas und Strom ist noch einiges in der Preispipeline“. In Anbetracht dessen, dass die Energiekosten im vergangenen September 43,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor kosteten und Lebensmittelpreise im selben Vergleich um 18,7 Prozent gestiegen sind, bedeutet das für die meisten Deutschen noch mehr Sorge: 40 Prozent der Bevölkerung verdienen laut Statistischem Bundesamt unter 22.000 Euro jährlich. Weitere 20 Prozent haben ein Einkommen von unter 16.300 Euro.

Alleinerziehende, Alleinlebende und Rentner sind oft knapp bei Kasse

Alleinerziehende finden sich besonders oft unter Geringverdienenden: 64,2 Prozent, und damit fast zwei Drittel von ihnen, mussten 2021 mit weniger als 21.000 Euro im Jahr auskommen, ein Drittel der Alleinerziehenden mit weniger als 16.300 Euro. Außerdem stehen sowohl über der Hälfte der alleinlebenden Deutschen als auch über der Hälfte der Deutschen im Ruhestand jeweils unter 22.000 Euro im Jahr zur Verfügung. Helfen will hier die Ampel-Koalition mit milliardenschweren Entlastungspaketen, die Geringverdienenden unter die Arme greifen soll. WSI-Forscherin Kohlrausch zeigt sich skeptisch: „Es wird sich zeigen, ob die beschlossenen Entlastungspakete ausreichen, um den Menschen finanzielle Sorgen und Belastungen umfassend zu nehmen. Das wäre doppelt wichtig, für die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft.“

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