Der lange Weg, Pflegekräfte anzuerkennen

22August
2024

Ohne sie geht es nicht: Viele Helfer in der Pflege kommen aus dem nichteuropäischen Ausland. Doch bis sie hier arbeiten dürfen, vergeht oft viel wertvolle Zeit – obwohl der Bedarf groß ist.

Wer Seniorenheime oder Krankenhäuser von innen kennt, weiß: Auf vielen Stationen arbeiten viele Pflegekräfte aus Afrika, Rumänen, aus Südamerika oder Asien. Deutschland und wir alle sind abhängig davon, dass Fachkräfte zu uns kommen und in der Pflege arbeiten. Die Babyboomer kommen ins Rentenalter, da wartet viel Arbeit.

Mehr ausländische Kräfte im Einsatz

Es ist eine gute Nachricht, dass 2023 so viele Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland wie nie zuvor in Deutschland einer befristeten Arbeit nachgegangen sind: 419.000 Menschen waren laut Statistischem Bundesamt mit einem entsprechenden Aufenthaltstitel gemeldet. Das sind 68.000 Menschen mehr als im Jahr zuvor. Für das Gesundheitswesen ist das ein Glücksfall. Denn hierzulande werden nicht genug Fachkräfte gefunden.

In der Pflege zu arbeiten, heißt, sich anstrengen

Meist wird in drei Schichten gearbeitet – das liegt nicht jedem. Weiterhin hat man es täglich mit Kranken zu tun. Die Bezahlung ist nicht gerade glänzend, dafür ist die Pflege körperlich wie seelisch anspruchsvoll. Kein Wunder also, dass Schulabsolventen oft einen anderen Berufsweg einschlagen. Nichtsdestotrotz ist klar: Wir brauchen in Deutschland bis 2030 angesichts einer alternden Gesellschaft mehr Pflegekräfte, laut Experten bis zu 200.000 mehr.

Neue Kräfte aus Drittstaaten

Um sie zu finden, werden sie aktiv angeworben, mittlerweile vor allem in Nicht-EU-Ländern. Bei der Bundesagentur für Arbeit kümmert sich die Abteilung Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) darum. Fand man früher noch gute Pflegekräfte innerhalb der EU, etwa in Polen oder Rumänien, kann man schon seit längerer Zeit ein Abflachen beobachten. Die Menschen finden mittlerweile im eigenen Land Arbeit. Außerdem wollen viele Staaten ihre Pflegekräfte nicht mehr abwandern lassen – weil sie sonst im eigenen Land fehlen. Also sucht man in den sogenannten Drittstaaten, außerhalb der EU.

Viele Kräfte aus der EU und von außerhalb

Laut Bundesagentur für Arbeit hatten 2023 von den 1,8 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen 278.000 Menschen keinen deutschen Pass, rund 180.000 stammten aus Nicht-EU-Staaten. Diese Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als vervierfacht, wie die FAZ recherchierte.

Akquise durch mehrere Stellen

Menschen aus Drittstaaten nach Deutschland zu holen und als Pflegekräfte zu beschäftigen ist also das Ziel. Darum kümmern sich neben der ZAV auch private Personalvermittler. Weiterhin gibt es Partnerschaftsabkommen mit diversen Ländern, die die Zuwanderung von Pflegekräften erleichtern sollen.

Die bürokratische Hürde

Wenn Bewerber gefunden sind, folgt aber meist ein komplizierter bürokratischer Prozess, um die Menschen in Lohn und Brot zu bekommen. Zuerst müssen sie Deutsch lernen. Erst dann kann ein Anerkennungsverfahren in Deutschland starten.

Das Anerkennungsverfahren ist nicht ohne

Doch es wird hier verlangt, um als Fachkraft zu arbeiten. Dafür muss ein Antrag auf Anerkennung gestellt werden. In diesem Verfahren prüft die zuständige Stelle, ob die Inhalte und Dauer der ausländischen Pflegeausbildung denen der deutschen entsprechen. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob die zukünftigen Mitarbeitenden ihren beruflichen Abschluss in der EU oder in einem Drittstaat gemacht haben. Wenn zum Beispiel Bewerber aus Afrika kommen, prüft die Stelle, ob der im Ausland erworbener Abschluss gleichwertig ist mit dem entsprechenden deutschen Abschluss. Der Abschluss wird als gleichwertig anerkannt, wenn keine wesentlichen Unterschiede im Hinblick auf Inhalte und Dauer der Ausbildung bestehen. Neben der Ausbildung berücksichtigt die zuständige Stelle auch die im In- oder Ausland erworbene Berufserfahrung. Festgestellte Unterschiede können durch einschlägige Berufserfahrung ausgeglichen werden.

Es dauert und dauert

Das Problem: Die Anerkennungsverfahren dauern in Deutschland im Schnitt viel zu lang. Jedes Bundesland von Bundesland handhabt es anders. Baden-Württemberg ist besonders gründlich und will jeden Bewerber einzeln prüfen. Und dann vergeht viel wertvolle Zeit: Kliniken, Seniorenheime, Verantwortliche und am Ende Patienten und Senioren warten dann auf Personal. Dass ganze Abteilungen in Kliniken geschlossen werden, weil Fachkräfte fehlen, ist längst kein Einzelfall. Dass Pflegeplätze überall in der Republik fehlen, ist eine traurige Wahrheit.

Der politische Wille ist da, aber…

„Wir wollen, dass Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen und durchstarten können. Bürokratische Hürden wollen wir aus dem Weg räumen“, das ist die Absichtserklärung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. „Wenn Menschen Berufserfahrung oder persönliches Potenzial mitbringen, werden wir es ihnen ermöglichen, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.“ Dennoch wird an strenger Prüfung der Qualifikationen und an guten Deutschkenntnissen festgehalten.

Punktesystem für Arbeitswillige

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz will Pflegehilfskräften aus Drittstaaten den Arbeitsmarktzugang erleichtern, zumindest auf dem Papier. Seit Juni gibt es eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland. Sie basiert auf einem Punktesystem. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und das Potenzial des mitziehenden Ehe- oder Lebenspartners bzw. der mitziehenden Ehe- oder Lebenspartnerin.

Weniger Bürokratie tut not

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gibt Behörden theoretisch die Möglichkeit, Verfahren zu entbürokratisieren, indem ausländische Abschlüsse erleichtert anerkannt und Verfahren digitalisiert werden.

Anerkennungsbehörden haben selbst Fachkräftemangel

Jedoch läuft die Digitalisierung nicht überall so zügig wie in Bayern: Das Land hat alle Prozesse digitalisiert und automatisiert. Hier kann eine Anerkennung innerhalb von maximal sechs Wochen erfolgen – zuvor waren es zwei Jahre. Insider vermuten, dass die Anerkennungsbehörden selbst zu wenig Personal haben. Und so dauert es dann gut und gern über ein Jahr, bis Interessenten aus Drittstaaten anerkannt werden. Das ist viel Zeit in einem Land wie Deutschland, in dem jede pflegende Hand schnellst möglichst gebraucht wird.

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